Bundesland: SALZBURG Gebiet: PONGAU 8 Tage 20.031 Hm 325 Km
Mai 2017. Der Salzburger Almenweg war meine erste Weitwanderung und für mich ein wirkliches Experiment. Völlig auf mich alleine gestellt, ohne Erfahrung auf diesem Gebiet, die Berge teilweise noch mit Schnee bedeckt. Aber ich habe die Strecke gemeistert, Probleme bewältigt und auf meinem Weg immer wieder Menschen getroffen, die mir im richtigen Moment geholfen haben. Mit herzlichen Worten, netten Gesten und hilfreichen Informationen. Danke dafür! Auch möchte ich gleich zu Beginn richtigstellen, das ich nur 7 Tage am Almenweg unterwegs war, die 8 Tage sowie die angegebenen Kilometer und Höhenmeter ergeben sich für mich dadurch, das ich am Tag vor dem Tourenstart einen Ultratrail gelaufen bin den ich in meine persönliche Gesamtleistung mit einbeziehe. Aufgrund der Schneelage musste ich die Originaltour ohnehin etwas abändern. Inklusive dem Ultratrail, ergibt sich jedoch schlussendlich wieder die Gesamtlänge von ca. 320 Kilometern, die in etwa der Längenangabe der gesamten 31 Almenweg - Etappen entsprechen. Alles in allem eine sehr empfehlenswerte Weitwanderung mit tollen Wegen und herrlichen Ausblicken im Herzen des Salzburger Landes. Vom alpinen Standpunkt denke ich, ist der Almenweg für die meisten zu schaffen. Die Etappen können individuell bewältigt werden und es gibt keine extrem gefährlichen oder hochalpinen Passagen. Im Sommer empfiehlt es sich auf jeden Fall, Hüttenschlafplätze und Unterkünfte vorab zu reservieren!!
1 Tag Pfarrwerfen bis Böndlsee Etappe 1 - 4
28. Mai 2017, ein drückend heißer Frühsommertag. Mit meinem prall gefüllten Rucksack schwinge ich mich auf´s Rad und fahre Richtung Pfarrwerfen, dem offiziellen Tourenstart des "Salzburger Almenweges". Eine Mischung aus Freude und Angst begleitet mich. Immerhin ist das meine erste Tour, die ich alleine bestreite. Auch wenn der Weitwanderweg vom alpinen Gesichtspunkt nicht all zu schwer sein dürfte, habe ich doch großen Respekt vor der Länge der Strecke, dem Schnee auf den Bergen und vor allem vor dem "allein sein". Allerdings bin ich fest entschlossen, mein Ziel zu erreichen und sollte ich doch aufgeben, bin ich ja ohnehin nicht weit von zu Hause entfernt.
Gasthof Reitsamerhof in Pfarrwerfen, das Abenteuer kann beginnen. Ich bin etwas später losgefahren als geplant, die Sonne brennt schon erbarmungslos vom Himmel. Zum Glück mündet die Straße schon bald in einen Forstweg, im Wald ist es herrlich kühl. Zügig lege ich die ersten Kilometer zurück. Kurz vor dem "Arthurhaus" halte ich bei einem Bach für eine Mittagspause. Meine Füße tauche ich kurz in das eisige Schmelzwasser, das macht mich wieder fit und munter.
Vorbei an der "Windraucheggalm" zu den "Vier Hütten" im Riedingtal. Ich versuche langsam zu laufen, aber mit dem schweren Rucksack ist das unmöglich. Außerdem scheuern die Riemen auf meiner Haut, weil ich ein ärmelloses Top trage. Ein Anfängerfehler den ich noch sehr bereuen werde. Die Luft zwischen den Latschen ist heiß und stickig, kein Lüftchen regt sich, fast so, als wäre Hochsommer. Nur der Enzian der tiefblau am Wegesrand blüht sagt mir, das es Frühling ist.
Nach einem kurzen, ungewollten Umweg über die Erichhütte, komme ich schießlich am Dientener Sattel an. Die Temperatur ist hier wieder angenehm und ich komme flott voran. Kein Mensch begegnet mir beim Aufstieg zum Schneebergkreuz, das ich am späten Nachmittag erreiche. Gestern bin ich hier im "Rennmodus" beim Schwarzach Trail durchgelaufen, heute genieße ich als Almenwanderin den traumhaften Ausblick. Für eine längere Pause bleibt allerdings wenig Zeit, denn es wartet noch der Abstieg zum Böndlsee auf mich. Der Weg zieht sich wie ein Kaugummi, mir kommt vor, ich bewege mich gar nicht von der Stelle. Mein Plan, mich noch in die Sonne zu legen und ein wenig im See zu schwimmen, rückt in die Ferne. Ich bin einfach nur froh, als ich um kurz vor 19.00 Uhr endlich auf der Seeterrasse Platz nehme. Ein Radler und ein kleiner Snack, dann ist die Welt für mich wieder in Ordnung.
Meine Tagesleistung: 15 Kilometer mit dem Rad, 40 Kilometer und 2.520 Höhenmeter zu Fuß mit 10 Kilo Gepäck. Das Ganze unter 10 Stunden.
HOTEL ****SEEBLICK Goldegg
Familiär geführtes Hotel in traumhafter Lage direkt am idyllischen Böndlsee. Großes Panoramahallenbad, Wellnessoase, Ruheräume und Beautyabteilung mit einzigartigem Zirben
Ruheraum.
Für die Kleinen bieten wir Spielräume, einen Spielplatz an der Sonnenterasse sowie ein eigenes Kinderbecken.
2 Tag Böndlsee bis Bad Hofgastein Etappe 5 - 8
Um 5:30 Uhr werde ich unsanft vom Wecker aus dem Schlaf geholt. Raus aus den Federn, rein in die Turnschuhe und auf geht´s Richtung Gasteinertal. Über die steile Straße nach Lend laufen meine Füße fast von selbst. Von Lend bis zur Kögerlalm ist der Weg allerdings doch recht steil. Vor allem weil ich gestern nicht gleich ins Bett bin, wie es sich für eine anständige Almenwanderin gehört. Der Abend war so gemütlich, die Gesellschaft meiner Tischnachbarn so nett, da habe ich einfach die Zeit übersehen. Die Herren Zweigelt und Ramazotti mit denen ich unter anderen den Abend verbracht habe, erschweren den Aufstieg allerdings maßgeblich. Vorbei an der Kögerlalm und der "Drei Waller Kapelle" habe ich schon bald einen wunderbaren Blick auf den Bernkogel.
Je höher ich gehe, umso größer werden allerdings die Schneefelder, immer wieder verliere ich den Weg und muss mich wieder neu orientieren. Schnell wird mir klar, das es verantwortungslos wäre, alleine und ohne Erfahrung und Ausrüstung stur die Etappen weiterzugehen. Also beschließe ich, bei der Biberalm (Etappenstart 9) die Route zu verlassen, und ins Tal abzusteigen. Sehr schade, denn es ist traumhaft hier im Gasteinertal, aber auch im nachhinein betrachtet eine vernünftige und richtige Entscheidung.
Und wieder geht´s auf staubigen, langweiligen Forstwegen Richtung Tal. Aber jammern hilft nicht und umso mehr freue ich mich über einen kühlen Radler im Gastgarten der "Schmaranzbrauerei" in Bad Hofgastein. Einfach herrlich! Leider vergesse ich, meine Trinkflasche wieder aufzufüllen, und so werde ich beim Fußmarsch entlang der Gasteiner Ache bis nach Bad Hofgastein ziemlich durstig. Als ich dann 3 Minuten nach 18.00 Uhr vor einer geschlossenen Bäckerei stehe, sinkt meine Stimmung kurz auf den Tiefpunkt. Zum Glück erbarmt sich ein netter, einheimischer Herr mit dem ich ins Plaudern komme, und chauffiert mich mit seinem Auto die letzten Meter bis zum Bahnhof Bad Hofgastein. Ein nettes Gespräch und ein Tipp für eine gemütliche, aber günstige Übernachtung inklusive. Nach einer heißen Dusche und einem großen Teller Pasta gehe ich heute früh ins Bett.
Meine Tagesleistung: 44 Kilometer und 2.553 Höhenmeter unter 11,5 Stunden.
3 Tag Bad Hofgastein bis Kleinarl Etappe 13 - 16 (Jägersee - Kleinarl)
Kurz vor 6 Uhr am Morgen verlasse ich das Hotel in Richtung Kötschachtal. Mein Rücken ist wund und schmerzt, aber ich beiße die Zähne zusammen. Aufgeben gilt nicht. Ich habe Glück, denn auch heute ist wieder traumhaftes Frühsommerwetter prognostiziert. Ich bin so flott unterwegs, dass ich die Abzweigung beim Hotel "Grüner Baum" völlig übersehe. Der Umweg kostet mich eine gute halbe Stunde, was mich aber am dritten Tag meiner Wanderung schon überhaupt nicht mehr aufregt. Der schmale Steig entlang der Felswand zur Poserhöhe ist wirklich wunderschön, die Aussicht ins Gasteinertal ein Traum. Nette Schilder mit schönen Sprüchen entlang des Weges sollen den Wanderer zum Nachdenken anregen. Ich finde, das ist eine ganz tolle Idee.
Ab der Poserhöhe schlage ich den Weg zur Tofererscharte, bzw. dem Gamskarkogel ein. Im Wald ist es noch düster und fast ein wenig unheimlich. Ich bin froh, als sich der Wald lichtet und ich die Baumgrenze hinter mir lasse. Kurz überlege ich, zum Gamskarkogel aufzusteigen, aber als ich an der Toferer Scharte ankomme, wird auch hier schnell klar, es liegt noch zu viel Schnee. Also beginne ich mit dem Abstieg ins Großarltal. Es läuft heute richtig gut. Kurz nach Mittag erreiche ich den Talboden und das kleine Bergdorf Hüttschlag. Zu meiner Erfrischung kaufe ich mir im örtlichen Gasthaus ein Eis. Die Wirtin steht mit der Kittelschürze in der Küche und lächelt mir freundlich zu. Das ich den ganzen Almenweg im Stück gehe, versetzt sie in Staunen. Und das noch als Frau, ganz alleine, das kann sie sich schon gar nicht vorstellen. Leider habe ich nicht viel Zeit zum Plaudern, denn obwohl im Moment noch die Sonne erbarmungslos vom Himmel brennt, ziehen über den Bergen schon dunkle Wolken auf.
Nun stehe ich vor der Entscheidung, weitergehen oder in Hüttschlag bleiben und dort die Nacht verbringen. Die Zeit drängt, ich habe wenig Zeit zum Nachdenken, also vertraue ich auf mein Bauchgefühl. Ich werde weitergehen, allerdings nicht auf der Originalroute über den Bergrücken bis nach St. Johann, die Gegend kenne ich ohnehin wie meine Westentasche und Schlafmöglichkeit gibt es dort am Berg auch noch nicht. Spontan entschließe ich, über den Tappenkarsee, Schwabalm und Jägersee direkt bis Kleinarl zu gehen. Das sollte sich ausgehen, bevor das Gewitter kommt. Entscheidung getroffen, jetzt heißt es "Gas geben." Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel, die Luft ist schwül und geladen. Der Rucksack reibt schmerzhaft auf meinem verschwitzten Rücken und ich lege mir mein kleines Handtuch dazwischen, das fühlt sich gleich angenehmer und leichter an.
Als ich die Draugsteinalmen erreiche, ist die Sonne hinter dunklen Wolken verschwunden, der Wind frischt auf, in der Ferne höre ich schon das erste Donnergrollen. Schritt für Schritt, im Eiltempo zum Draugsteintörl. Als ich am Gipfelkreuz ankomme, ist der Wind stürmisch geworden, ich spüre erste Regentropfen. Im Laufschritt geht´s zum Tappenkarsee, der sich dunkel und geheimnisvoll in der Senke vor mir ausbreitet. Der nasse Schnee spritzt unter meinen Füssen, die Stöcke bewahren mich mehr als einmal vor einem Sturz auf der rutschigen Oberfläche. Bei der Tappenkarseehütte angekommen halte ich kurz inne. Nächster Check.... hier warten oder weiterlaufen. Ich entscheide mich zu Laufen, denn das Gewitter scheint irgendwie "hängengeblieben" zu sein und kommt nicht näher. Über steile Serpentinen zur Schwabalm und über einen Forstweg zum idyllischen Jägersee.
Sogar bei Schlechtwetter lässt sich die türkisblaue Farbe dieses zauberhaften Bergsees erkennen. Die letzten Kilometer bis Kleinarl lege ich zügig zurück. Dort angekommen erhalte ich im kleinen Dorfladen einen Tipp für das einzig offene Hotel im Ort, wo ich dann auch einchecken kann. Eine lange, heiße Dusche, ein großer Teller Suppe und ein gemütliches, weiches Bett. Perfekt day!
Auch meine Tagesleitung kann sich wieder sehen lassen. Über 45 Kilometer und 2.400 Höhenmeter. Wieder war ich mehr als 11 Stunden auf den Beinen. Der 4 Tag in voller Belastung. Ich bin wirklich gespannt, ob ich das bis zum Ende der Strecke durchhalten kann.
4 Tag Kleinarl bis Untertauern Etappe 19 bis 22
Neuer Tag, neue Herausforderungen. Wieder verlasse ich kurz nach halb 6 Uhr am Morgen meine Unterkunft. Die Luft ist herrlich kühl und frisch auf dem Weg Richtung Ennskraxn und ich genieße die Stille und besondere Stimmung des neuen Tages.
Der Weg entlang des Bergrückens zum Grießenkareck bietet ein grandioses Panorama auf die umliegende Bergwelt. Immer wieder drehe ich mich um und staune, wie weit ich in den letzten Tagen schon gekommen bin. Ich nutzte die letzten Schneefelder für ein Rutschpartie ins Tal und komme kurz nach Mittag in Flachau an. Nach einer kurzen Pause packe ich wieder meine Stöcke um den nächsten Berg zu erklimmen. Mein Ziel... Der Lackenkogel
Der "Weg der Wünsche" macht mich wieder nachdenklich. Ich frage mich nach MEINEN Wünschen und merke, das ich keine habe, weil ich nie gelernt habe, dass ich meine Wünsche und Bedürfnisse äußern darf. Sei brav, still, artig, angepasst, funktioniere und falle nicht auf. Mittlerweile bin ich der Meinung, eine solche Erziehung und Einstellung ist wohl das "Krebsgeschwür" unserer Gesellschaft.
Die letzten Meter zum Gipfel des Lackenkogels spare ich mir, denn auch heute drängt die Zeit. Ich habe übrigens keine Ahnung, wo ich die heutige Nacht verbringen werde. Vielleicht brauche ich heute zum ersten Mal den Schafsack, den ich für den Fall der Fälle außen auf meinem Rucksack habe. Ich möchte vor Einbruch der Dunkelheit die Gnadenalmen vor Obertauern erreichen, den hier finde ich hoffentlich einen Heustadl, wo ich zur Not schlafen kann. Soweit mein Plan. Ich bin überrascht wie entspannt ich bin, obwohl ich heute Nacht vielleicht im Freien verbringe. Die Gegend am Grat oberhalb vom Zauchtal ist so trocken wie die Wüste Gobi und da bin ich sehr froh, dass ich bei einer winzigen Quelle meine Wasserflasche füllen kann. Einen Apfel und ein Kornweckerl habe ich zur Not noch als Abendessen.
Wie auch die letzten Tage, zieht auch heute wieder ein Gewitter auf. Ich bin auf einer Forststraße im Wald unterwegs, als ich das erste Donnergrollen höre. Ich verschärfe mein Tempo um so schnell als möglich ins Freie Gelände zu kommen. Wieder geht´s im Laufschritt bergab. Erste, dicke Regentropfen prasseln auf mich nieder, als ich wenige Meter oberhalb der Gnadenalmen in einer Kapelle Schutz suche. Ich ziehe mir frische, warme Sachen an, packe meine kleine Jause aus und mache es mir richtig gemütlich, während sich das Gewitter entlädt.
Während ich so dasitze, beobachte ich drei Männer bei einer Hütte der nahen Gnadenalmen. Der Regen lässt nach, und ich beschließe, die Herren zu fragen, ob es hier irgendwo eine Schlafgelegenheit gibt. Gesagt, getan. Die Männer sind sehr erstaunt über mein Anliegen, können mir aber nicht weiterhelfen. Alles geschlossen und auch einen Heustadl gibt es hier nirgends. Schade, dann werde ich heute wohl in der Kapelle schlafen. Das scheint einem der drei gar nicht zu behagen, denn er greift zum Telefon und nach zwei Anrufen bekomme ich die wundervolle Nachricht, dass die Weißenhofalm geöffnet hat und ein Zimmer für mich bereitsteht. Natürlich bin ich darüber ziemlich erleichtert.
Obwohl ich von der langen Wanderung müde bin, kann ich nicht einschlafen. Ich bin nervös, denn morgen muss ich über den Radstädter Tauern, den höchsten Punkt der Wanderung. Der Schnee macht mir Sorgen. Ich schlafe schlecht und habe Albträume.
Bei meiner Mittagspause in Flachau stoppe ich versehentlich meine Uhr. Für die Tagesleistung sind also beide Zeiten zusammenzuzählen. Gesamtleistung 38 Kilometer, über 3.300 Höhenmeter und eine Gehzeit von 10,5 Stunden.
5 Tag Gnadenalmen bis Radstadt Etappe 23 - 26
Nach dieser unruhigen und wenig erholsamen Nacht, quäle ich mich um 5.30 aus dem Bett. Als ich kurze Zeit später die Hütte verlasse, macht sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Die Angst kriecht durch meinen Körper, wie Nebelschwaden über die taufeuchten Almweiden. Mein erster Angstgegner, ist der "Hirschwandsteig" zwischen der Südwienerhütte und Obertauern. Ich habe ziemliche Angst, das in den schattigen Rinnen noch Schnee liegt und meine Sorge bewahrheitet sich auch. Ich atme tief durch und überquere das erste, sehr steile Schneefeld. Vorsichtig und konzentriert schlage ich Schritt für Schritt in den gefrorenen Schnee, suche zusätzlich mit den Stöcken Halt und arbeite mich langsam vor. Ausrutschen wäre hier wirklich sehr gefährlich. Alles geht gut, die erste Hürde ist geschafft!
Kurz vor Obertauern habe ich ein wunderschönes Erlebnis. Eine ganze Kolonie Bergmolche wärmt sich in der warmen Morgensonne. Gemächlich krabbeln sie durch das feuchte Gras, die schwarze Haut glänzt im Sonnenlicht. Manche sitzen mit geschlossenen Augen auf Steinen. Man spürt direkt, wie Sie die Wärme genießen. Ich bleibe fasziniert stehen und beobachte dieses Naturschauspiel.
Jetzt bin ich bereit für meine nächste Herausforderung, der Überstieg über die Seekarscharte (2.050 hm) Das erste Teilstück habe ich noch Asphalt unter meinen Füßen, schon bald muss ich auf die "Skipiste" wechseln. Durch das Beschneien und Präparieren liegt der Schnee noch sehr hoch. Meine Turnschuhe sind komplett durchnässt, meine Füße kalt. Immer wieder muß ich mich orientieren, die Wegweiser für die Wanderwege sind noch nicht aufgestellt. Seekarscharte.... Geschafft! Aber wo geht´s weiter? Ich entdecke eine dunkle Spur im Schnee. Vermutlich ein Bach, der sich unterhalb der Schneedecke entlang eines Wanderweges seinen neuen Lauf gesucht hat. Ich folge ihm und finde so tatsächlich den Weg zum "Klamml", der Wanderweg entlang des Forstbaches ins Tal. Immer wieder muss ich den eiskalten Schmelzwasserbach durchqueren. Meine Turnschuhe tropfen vor Nässe und die Haut meiner Füße ist völlig aufgeweicht und schmerzt.
Um die Mittagszeit erreiche ich glücklich und sehr erleichtert die "Vogeihütt´n." Ich habe alle Hindernisse bewältigt, meine Ängste waren unbegründet. Jetzt ist Zeit für eine Pause! Denkste!! Als ich mich umdrehe sehe ich, das sich hinter meinem Rücken unbemerkt riesige Gewitterwolken aufgebaut haben. Nix mit Pause.. laufen!! Rucksack wieder geschultert und los geht´s, talauswärts Richtung Forstau. Der Forstweg zieht sich wie ein Kaugummi, auf Höhe der Mautstelle holt mich der Regen ein. Auch das Gewitter kommt immer näher und näher, zieht dann aber kurz bevor es mich einholt, glücklicherweise in Richtung Steiermark ab. Nun trabe ich am Radweg der Enns entlang nach Radstadt und mir geht langsam aber sicher die Energie aus. Als ich endlich meine Unterkunft am Fuße des Roßbrands erreiche, bin ich völlig erschöpft und ausgebrannt. Aber vermutlich nicht vorrangig durch die körperliche Leistung, sondern vielmehr durch die Angst und den Stress, den ich mir selbst auf dieser Etappe gemacht habe.
Nach einem kurzen Abendessen, verwöhne ich noch meine geschundenen, völlig durchweichten Füße mit Creme. Draußen schüttet es in Strömen, der Donner grollt, Blitze zucken, ich fühle mich völlig erschöpft, aber sehr geborgen. Ich kuschle mich unter die Decke und schlafe innerhalb weniger Augenblicke ein.
Und wieder eine Tagesleistung von 47 Kilometern, 1.800 Höhenmetern und fast 12 Stunden Fußmarsch. Mein Körper hat sich mittlerweile an die täglichen Strapazen und vor allem an den Rucksack gewöhnt.
6 Tag Radstadt bis St. Martin Etappe 27 - 29
Ausgeruht, motiviert und gut gelaunt starte ich in meinen vorletzten Tag. Das Unwetter der vergangenen Nacht und der Morgentau haben die Wiesen völlig durchnässt, aber meine Turnschuhe sind ohnehin nicht trocken geworden. Nebelschwaden hängen zwischen den Bäumen, immer wieder hört man die Laute von Birkhühnern, es herrscht ein mystische Stimmung. Ganz unerwartet sitzt plötzlich ein großer, schwarzer Auerhahn vor mir in den Schwarzbeersträuchern. Ich kann gar nicht sagen, wer in diesem Moment von uns zwei mehr erschrocken ist. Er breitet die Flügel aus und segelt majestätisch in den Wald. Ich bin sehr berührt von dieser unverhofften und sehr beeindruckenden Begegnung.
Als ich den Gipfel des Roßbrand erreiche, sucht sich die Sonne einen Weg durch eine Lücke in den Wolken. Ein weiterer magischer Moment an diesem Morgen. Ich halte inne und danke von Herzen für alles in meinem Leben. Mit dieser besonderen Stimmung in meinem Herzen gehe ich über den weichen Waldboden bis nach Filzmoos. Dort gönne ich mir eine gemütliche Tasse Kaffee, bevor ich mich auf den Weg Richtung Bischofsmütze mache.
Hier wähle ich allerdings nicht den Originalweg über das Rinderfeld und den Sulzenhals, sondern den direkten Weg zur Hofpürglhütte. Auf dem Weg dorthin erlebe ich gleich zwei Schreckmomente. Erst schlängelt sich eine schwarze Kreuzotter vor meinen Füße über den Weg und nur wenige Minuten später ertönt ein Schuß. Vermutlich Gamsjagt in der nahen Felsenwand. Gott sei Dank trage ich ein knallgelbes T-Shirt und hoffe, die Jäger verwechseln mich nicht mit einem Rehlein.
Die Wetterlage ist heute sehr angenehm. Nicht zu heiß und ausnahmsweise keine Gewitterwolken am Himmel, die mich zur Eile antreiben. Und so komme ich auch heute wieder gut voran. Den Weg auf den Gerzkopf empfinde ich als sehr schön und abwechslungsreich. Dichter Wald, weiches Moos, immer wieder kleine Lacken am Wegesrand in denen sich die grandiose Bergwelt spiegelt. Am Gipfel angekommen läute ich die riesige Glocke. Ein tiefer, sanfter und tröstender Klang.
Beim Abstieg nach St. Martin macht sich dann zum ersten Mal mein Körper bemerkbar. Die Schienbeine beginnen zu schmerzen und zu brennen. Wäre morgen nicht mein letzter Tag auf dieser Reise, müsste ich wohl einen ruhigeren Tag einlegen. So aber hoffe ich doch, mein Tempo noch einen Tag halten zu können. Ich finde ein gemütliches Zimmer in einer Jausenstation direkt am Almenweg. Mein Abendesse genieße ich auf der Terrasse mit herrlichem Blick ins Tal.
Auch am vorletzten Tag meiner Reise habe ich wieder viel geschafft. 36 Kilometer, 2.400 Höhenmeter und das ganze in in 10,5 Stunden.
7 Tag St. Martin bis St. Johann Etappe 30 und 31
Der letzte Tag auf meiner Wanderung. Ich bin voller Energie und Elan, das traumhafte Wetter passt genau zu meiner euphorischen Stimmung. Der Himmel ist schon am Morgen tief blau, die Sonne strahlt mit ganzer Kraft und über dem Tal hängt noch eine dicke Nebeldecke.
Während ich die letzten Kilometer meines Weges zurücklege, erfüllen mich tiefe Dankbarkeit aber auch Trauer. Dankbarkeit für all das Gute und Schöne in meinem Leben und vor allem darüber, das ich mit meinen Kindern in diesem wundervollen, sicheren und üppigen Land leben darf. Das ist ein wahres Geschenk! Und Trauer darüber, dass in meinem Leben im Moment sehr viel schief läuft, und ich nicht in der Lage bin, etwas daran zu ändern. Aber so ist nun mal das Leben.
Wie dem auch sei, ich bin sehr glücklich darüber, diese Erfahrung gemacht zu haben. Und auch ein wenig Stolz über meine Leistung ist dabei. Die wichtigste Erkenntnis die ich in den letzten Tagen gewonnen habe ist jedoch, dass ich zu viel mehr in der Lage bin, als ich mir in meinen kühnsten Träumen jemals zugetraut hätte. Der Glaube an die eigene Kraft ist eine unglaublich starke Macht. Nütze Sie, aber nütze Sie nur im Guten. Namaste!
Die Eckdaten meines letzten Tages: 27 Kilometer zu Fuß, 15 Kilometer mit dem Rad, ca. 2.200 Höhenmeter in einer Zeit von etwa 9 Stunden.
Der Vollständigkeit halber hier auch noch die Aufzeichnung meiner Pulsuhr vom Schwarzach Trail 2017, den ich einen Tag vor Start des Almenweges gelaufen bin.
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